Gib acht auf die Lärche im Hinterhof
Gib acht auf die Lärche im Hinterhof.
Die stattliche Herberge vieler Seelen.
Zweige wiegen im Frühlingswind.
Im Baumwipfel oben mit Gekräh und Gehabe
beansprucht sein Revier der Kolkrabe.
Doch inmitten des Gezweigs ohne Eile
gurrt vornehm die Ringeltaube für eine Weile.
Und ganz hinten entdeckt fern vom Nest
der Jungspecht von Buntspechts das Geäst.
Dann herrscht Unfug durch eine Meisenbande
die kreuz und quer hüpfen – und imstande
sind, kopfüber an jungen Trieben zu picken,
mal hier, mal dort, und wieder fort, als wär's ein Sport.
Ein Mönchsgrasmück verdreht den Kopf
und zeigt uns seinen schwarzen Schopf.
Derweil ganz unten auf einer Wurzel am Baumstamm sitzt
ein Hausrotschwanz und zittert und knickst
und schickt sich an zu singen.
Bald hört man sein Lied erklingen.
Während sich emsige Hummeln
ungestört an den Zweigen tummeln,
lässt sich eine Spinne am seidigen Faden
durch den Wind ganz woanders hin tragen.
Auf einmal fliegt der Rabe los
und kräht ganz laut und ganz famos
Krahkrahkrah, ich bin da,
ich bin da, Krahkrahkrah
Gib acht auf die Lärche im Hinterhof.
Die stattliche Herberge vieler Seelen.
Zweige wiegen im Frühlingswind.
Du darfst lächeln.
--
Im Jahr 2015 habe ich mich am Projekt TXT, von Dominik Leitner beteiligt (www.neonwilderness.net). Alle drei Wochen wurde ein Wort "gezogen" und die teilnehmenden Autorinnen und Autoren hatten drei Wochen Zeit, um ihren Text dazu zu veröffentlichen, eine Geschichte, einen Brief, ein Gedicht, ein paar Zeilen, was auch immer. Hauptsache man schrieb (zur Projektankündigung *.txt). Das achte Wort lautete Acht.
Die Lärche habe ich jeden Tag vor Augen – da lässt sich nicht nur im Frühling vieles beobachten: Hat Spaß gemacht und alles im Gedicht hat sich übrigens wirklich so zugetragen! Nachtrag: Es könnte allenfalls sein, dass unsere Hinterhoflärche gar keine Lärche ist, sondern eine Blauzeder ;-)